Kurayami Kapitel 13 – Auf dem Kirchenturm, sodann folgt der Drachenschrei

Bei den Deadra geht langsam die Sonne auf. Kauzo öffnet die Augen und fragt sich, ob das alles nur ein schlechter Traum gewesen sei. Dann geht er vor die Türe, um etwas frische Luft zu schnappen und sieht etwas, was ihn überrascht. Einen Haufen an Zeitungen. Wieso liegen sie hier? Hielt man ihre Kathedrale für ein richtiges Gebetshaus? Versucht man damit, hier seine Zeitungen zu verbreiten und neue Leser zu gewinnen? Die Neugierde ist zu groß und so nimmt er sie sich, blättert darin herum und merkt recht schnell wieder, dass sich darin nichts für ihn befindet. Bis er auf den letzten Seiten ankommt, wo von Viyrac und von seinen Taten berichtet wird. „Den Blinden das Augenlicht zurückgeben? Wie soll sowas funktionieren? Entweder werden hier die größten Lügen aller Zeiten weiterverbreitet, oder bei dieser Person handelt es sich wirklich um jemand übermächtigen. Das hofft der Anführer der Deadra von Arkan gewiss nicht, legt die Blätter beiseite und stellt fest, dass ein gestriger Gedanke, welchen er für einen kurzen Moment beim Schlafengehen hatte, Realität werden muss. Der Gedanke, abzureisen, irgendwo in den Norden hin, um dort anschließend neues Wissen über diese seltsame Figur zu sammeln.

Auch Jaster, Zenelith und Chizu stehen etwa gleichzeitig auf. Der rote Krieger nur ein paar Minuten vor den anderen beiden. Er läuft in der Wohnung umher und fragt sich, was er und Jaster als nächstes tun sollen. Bis er die Treppen hochgeht, an der Türe klopft und sie somit weckt. „Was gibt’s?“ „Ich würde gerne geschwind etwas mit dir besprochen.“ „Nur zu. Hereinspaziert.“ Er öffnet die Türe und der Narr steht bereits direkt vor der Türe. In seinen Händen ein Zauberwürfel, den er mehrfach dreht. Und als er schnippt, da sind alle Farben an der richtigen Stelle.

„Wir müssen irgendetwas tun.“ „Worauf bezogen? Wir tun in diesem Moment etwas. Reden, atmen, sehen, riechen… Hier riecht es etwas komisch.“ „Ich rede nicht davon. Nur noch herumzusitzen, während dort draußen irgendetwas vor sich geht, das fühlt sich einfach nicht mehr angenehm an.“ „Dachte ich mir auch. Daher wollte ich heute abreisen. Dir geht’s auch um diesen Gott, oder?“ Zenelith nickt. „Prima. Dann gehen wir am besten direkt zu ihm hin. Ich habe versucht eins und eins zusammenzuzählen. Er sollte sich irgendwo nördlich befinden.“ „Wie kommst du darauf?“ fragt er und bemerkt erst dann Chizu, die auf dem Bett sitzt, die beiden beobachtet und ihnen lauscht. „Ursprünglich kam diese seltsame Pflanze irgendwo aus dem Norden von hier. Das ist eigentlich alles. Vermutlich war er dort und hat diese Pflanze erschaffen. Oder das war alles nur ’n blöder Zufall und wir reisen umsonst dort hin. Übrigens. Wir haben bestimmt ein bisschen Begleitung bei uns dabei.“ „Was für eine Begleitung?“ „Die Deadra. Ich war den gesamten gestrigen Nachmittag und Abend dort und habe mich tatsächlich mit der einen oder anderen Person gut verstanden. Wenn die uns begleiten würden, wäre das recht nützlich. Lebendige, auf zwei beinen stehende Fleischschilder, die uns vor Angriffen schütten können und dazu noch selber gegen Angreifer vorgehen können.“ „Du arbeitest wirklich mit ihnen zusammen? Nach allem, was geschah?“ „Wieso nicht. Ich habe dadurch ja nur Vorteile.“ „Das mag sein. Aber wie darf ich mir das vorstellen? Wir reisen los und sie begleiten uns?“ „Nichts ganz. Genaugenommen begleiten wir sie. Und sobald das alles vorbei ist, können wir uns wieder bekämpfen.“ „Ich verstehe. Nun gut. Dann sei es so. Und was tun wir als nächstes?“ „Erstmal in ihr ‚Versteck‘ gehen, welches gar kein Versteck ist. Anschließend können wir uns noch ’n wenig ausruhen und dann müssen wir sie nur überzeugen, selbst in den Norden reisen zu wollen. Aber das sollte nicht schwer sein. Ich kann mir sogar schon gut denken, dass sie ähnliche bis identische Pläne haben. Einfach abwarten.“ Sie verabschieden sich von Chizu und verlassen das Haus.

Das Mädchen, nun ganz alleine, stellt sich an das Fenster und schaut nach draußen. Es ist noch recht dunkel. Am Horizont jedoch sieht man ein bisschen Licht. Sie erinnert sich daran zurück, als sie sich das erste Mal vor Yoru, Ryori, den Feen und ihren Freunden offenbart hat. Davor hatte sie die Gruppe wochenlang beobachtet. Eine schöne und lustige Zeit. Doch nun brauch sie sich nicht mehr zu verstecken. Sie kann jederzeit zu ihnen reisen. Und das hat sie auch vor. Doch zuerst will sie wissen, was ihr großer Bruder und Zenelith bei den Deadra tun werden, macht sich unsichtbar und folgt ihnen. Die beiden stehen nach einiger Zeit vor dem Tor, öffnen dieses und laufen hinein. Kauzo sitzt auf einer Bank, neben ihm Martias. Lucius ist eine Etage über ihnen, in der kleinen Deadrabibliothek, welche sie dort errichtet haben und liest sich dort ein Buch durch. Varvin sitzt neben ihm, schaut über das Geländer herunter, als er die Besucher hört und grüßt sie. E’Phir ist noch in seinem Zimmer und ruht sich aus. „Noch einer?“ fragt Kauzo irritiert und schaut sich Zenelith genauer an. „Ich kenne dich doch.“ „Wir kennen uns.“ „Ja, dasselbe habe ich gerade auch gesagt. Wir haben mal gegeneinander gekämpft. Kann das sein?“ „Zwei- oder sogar dreimal, genau.“ „Interessant. Ihr gehört also zusammen. Hätte ich nicht erwartet.

Ja, ja. Das ist ja schön und gut. Was ich mich jetzt frage ist, wieso sich dort oben nochmal ’ne ganze Etage befindet. Die ist mir bislang nicht mal aufgefallen. Wie kommt man dort hin?“ Der Blonde würde ihm am liebsten gar nicht antworten, tut es aber dennoch. „Die Leiter ganz hinten.“ Der Finger deutet in die richtige Richtung. „Verstehe. Danke.“ Schnell begibt sich der Narr dorthin, klettert hoch und bleibt anschließend stehen. Nun ist er auf der ersten Etage. Doch es scheint noch weiter nach oben zu gehen. „Das schau ich mir gleich an. Jetzt ist erstmal die Etage hier dran.“ Sie wurde an der Wand entlang gebaut. Das Geländer schützt einen vor dem Runterfallen. Auch hier oben gibt es bemalte Fensterscheiben. Sie sind jedoch deutlich kleiner. Winzige Bänke, auf die vielleicht zwei Personen passen, wann sie sich aneinander quetschen, stehen gleich davor. Von hier hat man einen überraschend schönen Ausblick. Etwas weiter hinten befinden sich links und rechts je ein schmaler Tisch direkt am Geländer und an der Mauerwand. An ihnen je zwei Stühle. Dort sitzen Lucius und Varvin. Der Junge blättert in einem Buch umher, der Priester schaut ihm dabei zu. Weiter hinten, direkt über dem Eingangsbereich, befindet sich kein Geländer mehr, von dem man runter blicken kann. Hier reicht der Boden von der einen Seite zur anderen. Es stehen Regale voller deadrabezogene Bücher. Sicherlich einhundert bis zweihundert Stück.

Zwischen dem Geländer und den Regalen ist nur wenig Platz. Er läuft vorsichtig entlang, läuft den schmalen Pfad der anderen Seite entlang und merkt, dass es eins zu eins wie die Seite aussieht, von der er kam. Zwei Tische, insgesamt vier Stühle, danach die kleine Sitzbank und die Fenster. Anschließend eine Leiter, die an einen nochmals anderen Ort führt. An eine, der von hier unten recht hell zu sein scheint. Doch bevor er dort hochklettert, will er wissen, was sich bei der anderen Seite befindet. Er läuft den Weg zurück zur Leiter, die er ursprünglich hochgeklettert kam und klettert weiter hinauf. Zum Vorschein kommt ein größerer Bereich mit mehreren Betten und Schränken. Dort schlafen noch zahlreiche Personen. Weiter nach oben geht es nicht. Leise klettert er wieder runter, läuft erneut an den zwei Leuten und den Büchern vorbei, klettert nun die andere Leiter hoch und bleibt auf mittlerem Wege stehen. Dort atmet er tief ein und lässt seine Umgebung auf ihn wirken. Alte steine, eine hölzerne Leiter die schon morsch zu sein scheint, draußen zwitschern sogar schon die Vögel. Er klettert weiter, kommt oben an und steht auf einem Aussichtsturm. Er ist nur ein wenig höher, als die restlichen Türme und hat die perfekte Aussicht.

Er bleibt dort für ein paar Minuten stehen. Heute ist es frischer, als die Tage zuvor. In seinen Augen ein perfektes Wetter. Nur noch ein bisschen Wind und eine leicht gräuliche Wolkenschicht am Himmel würde es noch besser machen. Doch man kann nicht alles im Leben haben, denkt er sich und hört plötzlich Flügelschläge aus der Ferne. Tiefe Schläge, die näher kommen. Es ist ein dunkler Drache, welcher aus der Ferne angeflogen kommt. Mit geöffnetem Maul fängt er an zu schreien und die gesamte Stadt wird auf ihn aufmerksam. Die Soldaten, die auf der Mauer stehen, nehmen ihre Pfeile, ziehen ihre Bögen und feuern auf das Biest, welches gezielt ausweichen und auf einem Hausdach landen kann. Von dort will der Drache Feuer speien, wird jedoch von ein paar gezielten Schüssen der Wachen und Soldaten getroffen und will flüchten. Er scheint es auch zu schaffen, bis dem Narren langweilig wird. „Das wäre doch ’n langweiliges Ende.“ Er richtet die Hand auf das Monster, wartet den passenden Moment ab und feuert los. Ein Strahl, der den Magen des Monsters durchdringt. Der leblose Körper fällt zu Boden, woraufhin die Wachen unverzüglich losreisen, um ihn einzusammeln. Wer ihn nun erlegt hat, das weiß keiner. Jaster lacht. „Gern geschehen, ihr Deppen. Ohne mich wäre das Vieh mühelos davongeflogen.“ Doch ihn hört keiner. Wieder auf der ersten Etage mit den Büchern angekommen läuft er zur Leiter zurück, klettert diese hinunter und kriegt mit, dass Zenelith und Kauzo dabei sind, eine Konversation zu halten. Etwas, womit er nicht gerechnet hätte. Er will sie nicht stören und setzt sich auf eine der zahlreichen Bänke, schaut nach draußen und sieht, wie die Sonne dabei ist, immer weiter zu steigen.

Unerwarteterweise wird er gerufen. Und das von niemand geringerem, als vom Anführer der Deadra selbst. „Was gibt’s?“ „Zwei Dinge. Erstens: Was war das für ein seltsamer Schrei, der gerade eben ertönte?“ „Ein Drache. Aber jetzt ist er weg.“ „Ein richtiger Drache? Kein Deragrov?“ „Ein waschechter Drache. Genau.“ „Sehr seltsam. Wie dem auch sei. Zweitens: Dich kann ich nicht leiden. Nicht im geringsten. Aber deine Begleitung ist vom aller feinsten. Schon mal darüber nachgedacht, den Deadra beizutreten?“ Er schaut Zenelith erwartungsvoll an. Doch dieser schüttelt den Kopf. „Nein. Nicht für einen einzigen Augenblick. Dazu wird es auch nicht kommen. Auch wenn diese Welt noch so viele Gottheiten hat, so schenke ich keiner einzigen meinen Glauben. Sie sind es meiner Ansicht nach nicht würdig, vergöttert zu werden.“ „Und da ist die gesamte Sympathie auch schon wieder dahin. Wie auch immer. Was ist der Grund eures Auftauchens?“ „Ein Angebot“ sagt Jaster. „Was für eins?“ „Wir reisen ab. Noch heute. Noch bevor die Sonne ihren höchsten Punkt erreicht hat. Wir reisen in den Norden und finden etwas über diesen seltsamen Gott heraus. Ich für meinen Teil habe kein Interesse daran, mir diese Welt von jemand anderem zerstören zu lassen. Wenn einer diese Ehre hat, dann ich.“ „Da denken wir sehr ähnlich. Dennoch wissen wir nicht einmal, ob dieser Typ eine Bedrohung darstellt.“ „Bist du dir sicher? Ich habe da nämlich den einen oder anderen Indiz dafür, dass er eine noch größere Gefahr darstellen kann, als wir es glauben.“ „Du hast mein Interesse geweckt. Rede weiter.“

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