Myou Yuurei Kapitel 12 – Ein gefallenes Urteil

Jaster, der nun mit der Freundesgruppe im Restaurant sitzt, schaut auf die Karte. „Muss man sich an die halten? Oder kann ich auch irgendetwas anderes bestellen?“ „Ist das nicht der Sinn einer Speisekarte?“ fragt Ryori irritiert. „Das mag sein. Aber braucht alles im Leben einen Sinn zu haben? Ich weiß, was ich bestellen werde.“ „Wir haben aber bereits bestellt und ich weiß nicht, ob Bedienung nochmal-“ „Entschuldigung!“ Er ruft und streckt den Arm in die Luft. Sofort kommt das Mädchen hinter dem Tresen zu ihm gelaufen und fragt sich, ob er schon vorhin hier saß. „Ich würde gerne etwas bestellen. Das teuerste, was sie auf ihrer Karte haben. Wäre das möglich?“ „Das wäre möglich. Nicht sonderlich empfehlenswert, aber möglich. Ich gebe die Bestellung gleich weiter.“ Sie geht zurück zur Küche und der Narr schaut selbstgefällig durch den Raum, als er zusammenzuckt. Hinten sitzen drei Männer in der Ecke. Bei diesen Männern handelt es sich um ihm verhasste Personen. Kauzo Ketsu Amori, Merius E’Phir Arora und Antonius Alegrius Barmof von Kez, dessen echter Name Morgt Nikushimi Zenfura lautet.

Sie haben ihn noch nicht bemerkt. Oder etwa doch? Womöglich durch seinen Ruf. Oder sie hielten ihn für einen normalen Jungen, der die Bedienung ruf. Doch mit einer so einzigartigen Stimme muss man ihn doch gleich erkennen. Oder? „Mein Morgt, ist es wirklich okay, wenn ihr euch so offen in der Öffentlichkeit zeigt?“ „Ihr vergesst, Kauzo, dass ich der Baron von Barlock bin? Ich zeige mein Gesicht fast ständig.“ „Das mag sein. Aber mit uns beiden zusammen, ist das nicht etwas riskant?“ Der Baron lacht. „Wir sind hier an einem Ort, wo keine Wache der Welt hingehen würde. Wer soll euch erkennen? Die Chance, hier überhaupt auf ein bekanntes Gesicht zu treffen, diese liegt bei weniger als einem Prozent.“ „Und doch sitzt dort eines hinter euch, mein Baron.“ Merius‘ Worte irritieren ihn und er dreht sich um. Schock. Sein Blick und der des Narren treffen sich. Der eine muss fast lachen, der andere versteckt sich. „So, so. Er hat also Freunde. Oder zumindest Menschen, mit denen er Zeit verbringt. Das ist wirklich, wirklich gut zu wissen.“ „Bei allem Respekt. Aber diese Menschen scheinen uns nichts zu bringen. Sie schauen wie ein paar gewöhnliche Besucher oder Bewohner der Stadt aus.“ „Das werden wir noch sehen.“ Selbstsicher richtet er seine Finger in ihre Richtung und verschießt einen, einzigen, kleinen Strahl. Sofort erschafft Yoru ein Schild, das den Strahl blockt und daraufhin zusammenbricht. Nur die Frau hat davon mitbekommen. Der Tori und die Bedienung waren zu sehr auf andere Dinge konzentriert.

Plötzlich steht ein Fremder auf und nähert sich ihnen. Ein neuer Feind? Ein Angreifer? Er reicht dem Jungen die Hand. Die Arme lang und dünn, der Körper in edler Kleidung gehüllt. Chizu, die neben ihm sitzt, wirkt angeekelt. „Du hast wirklich überlebt?“ Er grinst. „Aber natürlich. Das war doch nur ein Spiel, dachte ich. Und bei einem Spiel soll keinem zu Schaden kommen.“ Seine Augen auf sie fokussiert. „Oder etwa doch?“ „Bei dir wäre mir das ziemlich egal gewesen.“ „Wieso denn so kalt? Jedenfalls. Ich grüße dich und ich grüße deine Freunde. Entschuldige bitte den verschossenen Energiestrahl. Ich musste nur sichergehen, dass ihr das seid, woran ich gedacht habe.“ „Und das wäre?“ fragt er stark verwundert. „Erashinnutzer…“ Bei genauerem Betrachten fällt ihm etwas auf. Sie ähneln Leuten, von denen einer der Deadra im Versteck berichtet hat. „Ihr kennt nicht zufällig einen.. Morgra?“ „Was, wenn es so wäre?“ „Dann könnt ihr euch glücklich schätzen. Er hat viel von euch erzählt. Jeher hatten die Deadra großes Interesse an euch. Was ein Zufall, dass ihr mit unserem guten Freund und meistverhassten Kumpanen Jaylitz Asterial befreundet seid. Und ihr seht alle so bezaubernd aus. Insbesondere du.“ Er will Chizu ans Kinn fassen, als Jaster aus dem linken Arm einen fleischigen Dorn wachsen lässt, dessen messerscharfe Spitze einen Millimeter vor dem Hals des Fremden endet. „Nur kein Grund zur Panik. Ich würde niemandem Schaden zufügen. Besonders nicht deinen Freunden, J-“ „Dein Gelaber wird langsam langweilig.“ Der Fremde lacht. „Gut, dann werde ich eben wieder gehen.“ Und sofort sagt Chizu: „Ich bitte darum.“ Der Dorn wächst zurück in den Arm und Jaster merkt, wie unglaublich arg es wehtut. Dieses Dreiviertel war um ein vielfaches wichtiger, als er es sich erhofft hatte. Der Baron geht derweil zurück an seinen Tisch, setzt sich nieder und weiß, dass er idiotisch gehandelt hat. Anstatt heimlich mehr herauszufinden und es im Falle einer Konfrontation auszunutzen wurde er zu offensiv und hat den Faktor der Überraschung weggelassen. Könnte das für ihn zu einem großen Fehler werden? Diese Frage stellt er sich und sitzt auch weiterhin schweigend da.

Derweil wollen Yoru, Ryori, die Feen, Rikko, Marie und die drei Kinder mehr erfahren. Das große Problem: Jaster weiß nichts, was er ihnen sagen könnte. „Mir ist dieser Mann fremd. Vor zwei, drei Tagen kam es zu einem Kampf in einer alten Festung auf den Bergen. Die halbe Festung wurde dabei zerstört und nur durch Chizu konnte ich überleben. Seither fürchte ich mich vor diesem Mann. Er ist einer der ersten und einzigen Menschen, der es je hinbekommen hat, mir Angst zuzubereiten. Auch wenn ich fast schon glaube, dass er mehr ist, als ein einfacher Mensch. Einiges spricht dafür, dass er ein Yokai ist.“ Die Feen sind irritiert. „Ein Yokai?“ „Yokai, die sich weigern den Menschen Schaden zuzufügen werden wiedergeboren. Dabei kriegen sie eine Menschenform und besondere Kräfte. Dieser Mann am Tisch dort hinten ist unsterblich. Wie sonst soll er über solche Kräfte verfügen.“ „Unsterblich?“ fragt Ryori leise und schaut zu ihm rüber. Die Haare lang und blassgrün. „Ich habe schon wieder deutlich mehr gesagt, als ich sagen wollte. Jedenfalls. Ich habe einen Plan und bislang läuft alles gut. Dieser Typ wird niemandem schaden und hier muss sich keiner Sorgen machen. Kommen wir viel lieber zum Deal-…“ Der Baron hört diese Worte und dreht sich um. Er kann am Gesichtsausdruck vom Narren erkennen, dass ihm ein Gedanke in den Kopf geschossen kam. Im schlimmsten Fall ein Gedanke, den er selbst schon lange hatte. Und so scheint es auch zu sein. Ein breites Grinsen bildet sich in seinem Gesicht und er schaut zum Baron. Er fühlt sich schon so, als hätte er verloren. Über ihm schwebt das Auge, das urteilt und spricht: „Schuldig!“ Die Welt bricht zusammen und er muss so schnell er kann handeln.

Ihr kriegt so viel Geld, dass ihr euch das Essen leisten könnt und ich kriege dafür einen kleinen Anteil all eurer Lebensjahre. Vielleicht.. einen Tag.“ „Bloß?“ fragt Chizu und er erklärt: „Das wäre ganze zehn Tage, die ich länger leben würde. Genug Zeit, um einen Weg zu finden, dem Unausweichlichen auszuweichen.“ Neugierig fragt Koioshi: „Also wirst du auf jeden Fall zehn Tage länger leben?“ „Solange niemand versucht mich im Wesentlichen umzubringen, ja.“ Daraufhin fragt Yoru: „Aber was bringt dir das? Bist du dadurch wirklich sicherer? Kannst du überhaupt an einem natürlichen Tod sterben?“ Der Baron hat tatsächlich mit dem Falschen gerechnet. Erleichterung überkommt ihn, bis der Narr spricht: „Ja gut, du hast irgendwo recht. Ne? Dann hab ich gleich ’ne viel bessere Idee für einen großartigen Deal. Dem Fremden werden die Kräfte der Unsterblichkeit genommen-…“ Er zeigt mit der offenen Hand auf den Baron „…-und ich erhalte dafür genügend Geld, um all das Essen bezahlen zu können. Wie klingt das?“ Er hatte dieselbe Idee, die der Morgt schon lange hatte. Sofort will er aufstehen und auf ihn zurennen, den Deal aufhalten, doch er bleibt dort wie gefesselt sitzen. Der Raum wird stockfinster und blau-lila Flammen fliegen durch die Luft. Ein Vertrag und ein Stift. Beide von einer flammigen Aura umgeben. Chizu nimmt den Stift, setzt an und schreibt den ersten Buchstaben ihres Namens nieder. Erst jetzt hat er es geschafft und steht auf. Der zweite Buchstabe wird geschrieben und der Fremde rennt. Nach dem dritten Buchstaben erhebt er die Hand, der vierte Buchstabe wurde vollendet und die Hand beginnt zu glühen. Eine Kugel entsteht, die Chizu durchdringen und töten soll. Doch inmitten ihres Fluges wird der letzte Buchstabe geschrieben, der Vertrag, der Stift und die Flammen verschwinden, gemeinsam mit der Dunkelheit und die Zeit stoppt. Nur der Baron kann sich noch bewegen. Und natürlich Jaster, der nun in seiner Dreiecksform zu ihm hergeflogen kommt.

„Wie? Wie.“ Seine Unterkiefer und somit auch seine Stimme zittert vor Wut. „WIE KÖNNEN DEINE KRÄFTE FAIR SEIN? WIE KANNST DU ALLMÄCHTIGEN KREATUREN IHRER EIGENEN KRÄFTE BERAUBEN? WIE – IST SO ETWAS – MÖGLICH?“ Nikushimi Zenfura fällt auf die Knie. Über ihm schwebt das Auge, welches urteilt. „Auch wenn ich den Titel des Narren trage, bist eigentlich du der Narr.“ In seinen Händen hält er die Sense, mit der er Menschen ihrer Seele berauben kann. Das Auge – ‚Der Narr‘ – ‚Der Seelenfresser‘ Er nimmt die noch immer in der Luft stehende, goldgelbe Kugel und zerdrückt sie, bis sie platzt, sieht, wie der Baron seinen ganzen Körper nach vorne beugt und zum Boden blickt und schwingt daraufhin die Sense. Der Kopf rollt über den Boden und die Welt bricht zusammen. Bis er die Augen wieder öffnet und am Tisch sitzt. Vor ihm Kauzo und E’Phir. Als er ein letztes Mal hinter seinen Rücken blickt, da sieht er die zwölf Menschen und wie sie dabei sind, ihr Mittagessen zu essen. Die beiden Auge von Jaster blicken in die des Barons. Ein breites Grinsen noch dazu. Plötzlich hört er eine Stimme in seinem Kopf. „Sage mir. Wofür steht das Wort ‚Morgt‘?“ Es ist die Stimme von Jaster, die er heute Morgen hörte, als er mit ihm sprach. „Es ist ein altes Wort der Deadra und steht für einen Führer. Für einen allmächtigen Mann, der noch über den Deadrakaisern und -Herzogen steht.“ Das war seine Antwort. Und was daraufhin folgte: „Ich verstehe. Das macht Sinn, ja. Ein passender Titel. Aber für wie lange?“ Er gibt den Titles des Morgts nicht auf und weiß, dass er siegen kann. Doch dieser Blick und diese Lache des Narren. Sie reichen schon aus, um seine Selbstsicherheit einbrechen zu lassen. „Ist alles in Ordnung, Morgt?“ fragt Kauzo vorsichtig. „Ja. Ich muss bloß.. überlegen.“ Was an diesem Tag geschah, das sollte die Ära der Deadra auf ewig verändern. Dem Narren ist jetzt erst wieder bewusst, was er mit seinen Kräften alles anstellen kann. In seinen Jackentaschen so viel Geld, dass es zum bezahlen reicht. Und womöglich auch für einen Nachtisch.

Ein Gedanke zu „Myou Yuurei Kapitel 12 – Ein gefallenes Urteil

  1. Oh mein Gott das war eins der besten Kapitel. Jaster wirkte am Anfang mega ängstlich aber am Ende hat er ihn doch ausgetrickst und gewonnen. Gut getäuscht. Das kriegt niemand anderes so hin wie er

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